#18
5 Tipps für blickigere Betonungen, hilfreichere Hervorhebungen und bewusstere Bezüge
Oberste Priorität: Maximale Verständlichkeit beim ersten Lesen. So lautet mein Credo für bessere Texte — gleich ob ich als Lektor, Übersetzer oder Verfasser tätig werde.
Klingt gut? Und das Beste daran: Es ist leichter, als viele glauben — man braucht nur möglichst viele der nachfolgend in 11 Punkte gegliederten Tipps zu beherzigen: *
[* zur besseren Eingängigkeit als Gedankenstütze sortiert als „S·U·D·E·R·L·A·T·Z·K·E“; erweiterte Fassung meiner Zusammenstellung für meinen regelmäßigen Workshop für Master-Studierende]
– Würde ich so schreiben, würde sich der Satz nicht nur verlängern; er würde sich auch weniger elegant lesen und würde langsamer erfassbar werden. Und das würde doch wohl schade sein!
+ Schriebe ich so, verkürzte sich der Satz nicht nur; er läse sich auch eleganter und würde schneller erfassbar. Und das wäre doch wohl prima!
– Vor dem Hintergrund meiner Müdigkeit habe ich mich am Morgen des gestrigen Tages im Rahmen des Rasierens geschnitten.
+ Weil ich müde war, habe ich mich gestern Morgen beim Rasieren geschnitten.
– Fehlende optische Gliederung hat drei Nachteile: Der erste Nachteil ist, dass sie die Informationen schlechter erfassbar macht; als zweiter Nachteil kommt hinzu, dass sie durch die nötigen rein organisatorischen Wendungen spürbar wortreicher ist; ein dritter Nachteil schließlich ist, dass sie das sich bietende Potenzial optischer Abwechslung ungenutzt lässt.
+ Optische Gliederung hat drei Vorteile:
(1) Die Informationen sind leichter erfassbar;
(2) der Wegfall rein organisatorischer Wendungen macht den Text dichter;
(3) der Text wird für den Leser optisch aufgelockert.
– Ein Satz ist, wenn er nicht, wie man es, und zwar oft noch verschlimmert, indem einzig Kommata verwendet werden, immer wieder sieht, mehrfach durch Nebengedanken unterbrochen wird, besser zu verstehen.
+ Ein Satz ist besser zu verstehen, wenn er nicht mehrfach durch Nebengedanken unterbrochen wird, wie man es immer wieder sieht, und zwar oft noch verschlimmert, indem einzig Kommata verwendet werden.
– 1. Er sagte [Einschub mit x Wörtern oder Halbsätzen] zu/ab.
2. Das Gesetz lässt [Einschub mit x Wörtern oder Halbsätzen] (nicht) zu.
? Soll dem Leser die Spannung erhalten bleiben, welche Richtung die Aussage am Ende nimmt? Wohl eher nicht.
+ Probates Gegenmittel: letzten Verbteil nach vorne holen
1. Er sagte den Freunden zu/ab, die [...].
2. Das Gesetz lässt es (nicht) zu, dass [...].
– Angesichts des Vorgesagten gelten für Letzteres die obigen Ausführungen zu Punkt X entsprechend, für Ersteres hingegen die zu Punkt Y erläuterten Konsequenzen.
! Bei IKEA profitiert der Kunde („Selbst aufbauen spart Geld“), bei einem Aussage-Bausatz einzig der Text-Verfasser: Er spart Zeit, die dann ruhig die Leserin fürs gedankliche Zusammenschrauben aufwenden soll:
?! Ach so, mit ‚Letzteres‘ meint er [*such*]; bei X oben hatte er ausgeführt [*such*]; ‚Ersteres‘ war [*such*], und bei Y erläuterte er [*such*]. Super, schon fertig! ; – )
– Letztlich kann das Problem von autonom handelnden Polizisten gelöst werden.
Je nachdem, was gemeint ist:
+ a) Letztlich kann das Problem durch autonom handelnde Polizisten gelöst werden.
+ b) Letztlich kann das Problem autonom handelnder Polizisten gelöst werden.
– anschauliches Beispiel: weiterhin
+ Kann Unterschiedliches bedeuten; lieber jeweils das unmissverständliche Synonym wählen:
a) des Weiteren / außerdem
b) unverändert / (auch) zukünftig.
– Wir sollten / Man sollte mal den Müll rausbringen.
? Wer genau ist angesprochen, wer soll etwas tun?
+ Besser Farbe bekennen und die gemeinte(n) Person(en) möglichst präzise benennen.
– Das Auto ist ein Störfaktor.
! Ist nichts Konkretes gemeint (hier z. B. das Auto des Nachbarn X), sondern etwas Allgemeines, wird dies wird besser mit dem Plural ausgedrückt:
+ Autos sind ein Störfaktor.
– Das Gute/Schlechte daran: Die bisher mögliche steuersenkende Gestaltung ist künftig nicht mehr möglich.
? Welche von den beiden Bewertungen stimmt? Antwort: Beide! Nur eben je nach Perspektive: gut für den Fiskus; schlecht für Steuerpflichtige, die diese Möglichkeit bisher genutzt hatten.
! Deshalb Vorsicht mit Bewertungen: Auch hier gibt es kein Verstecken; dann lieber gleich die eingenommene Perspektive offensiv für den Leser transparent machen.
? Wie verhält sich ein Satz 2 zum unmittelbar vorausgehenden Satz 1?
! Satz 2 folgt aus / ergänzt / erklärt / belegt / schränkt ein / steht neben Satz 1:
+ Dann sollte das einleitende Wort des Satzes 2 dies verdeutlichen: Darum / Zudem / Denn / : / Aber / Im Übrigen ...
– Gestern war gutes Wetter. Demgegenüber scheint heute die Sonne.
! „Demgegenüber“ signalisiert einen Gegensatz; ist dieser ...
– a) gar nicht beabsichtigt, so ist das Wort hier falsch;
≈ b) sehr wohl beabsichtigt (z. B. weil Sonne für bestimmte Zwecke kein gutes Wetter ist), müsste genau dies hier noch präzisiert werden.
– Nicht zu viele (Halb-)Sätze auf engem Raum mit da... beginnen: dabei, dafür, dagegen, daher, damit, danach, daneben, darüber hinaus, darum, darunter, davon, dazu, dazwischen
– Ähnlich: hierbei, hierfür, ...
+ a) Da/Weil Tag ist, ist es hell.
+ b) Es ist hell. Der Grund dafür ist / Das liegt daran / Das hat seine Ursache darin, dass Tag ist.
+ c) Es ist Tag. Daher / Deshalb / Aus diesem Grunde ist es hell.
+ a) Obwohl Winter ist, ist es warm.
+ b) Es ist Winter; dennoch/trotzdem ist es warm.
+ c) Es ist warm, dabei ist Winter.
! Weitere Alternativen (die längeren nur in Maßen): während, dessen ungeachtet, unabhängig davon, nichtsdestotrotz
! Gerade fachsprachlich haben selbst geringfügig andere Wörter oft auch andere Bedeutungen bzw. -nuancen: z. B. Angeklagter (Strafrecht), Beklagter (Zivilrecht)
– keine krampfhafte Kette von Synonymen um jeden Preis: Priester / Geistlicher / Kirchenmann / Gottesmann ...
– Suboptimal:
Sollte X weniger als 50 % ..., gilt ...
Dagegen gilt ..., wenn X 50 % oder mehr ...
+ Leichter erfassbar:
Beträgt X weniger als 50 %, gilt ...
Beträgt X [hingegen] 50 % oder mehr, gilt ...
– a) In Kapitel 2 soll versucht werden, ... darzustellen.
+ b) In Kapitel 2 wird ... dargestellt.
! Lieber die selbstbewusstere Variante b):
– Der Leser traut Ihnen grundsätzlich etwas zu;
– sollte Ihr Text dieses Vertrauen enttäuschen, vermag auch die bescheiden-unterwürfige Einleitung (hier gar doppelt: soll, Versuch) nicht mehr zu helfen.
! „Der Lautsprecher verstärkt die Stimme, nicht die Argumente.“
! Deshalb Vorsicht mit ausschließlich verbal (aber eben nicht argumentativ) starken Wörtern/Wendungen:
– sehr wohl, gerade nicht/doch, eben nicht/doch, ganz im Gegenteil; enorm, äußerst; natürlich, selbstverständlich, zweifellos, sicherlich; unabdingbar, unerlässlich
– Wie auch das Bundesverfassungsgericht inzwischen zutreffend erkannt hat ...
! Je jünger und vom Standing her entfernter der Verfasser von der betreffenden Autorität (hier: dem BVerfG), desto unangemessener bzw. vermessener klingt eine solche — meist völlig unschuldig gewählte! — Formulierung.
– Ein Problem, ist - oftmals_fehlende/ falsche ( Satz) -Zeichensetzung
+ Ein Problem_ist — oftmals — fehlende/falsche (Satz-)Zeichensetzung
– morgen’s, in’s, Andrea’s CD’s
+ morgens, ins, Andreas CDs
? wo zur Betonung gedacht:
– Bei uns finden Sie tolle „Sonderangebote”
! Anführungszeichen werden hier tatsächlich meist als ironisch verstanden; deshalb lieber ohne:
+ Bei uns finden Sie tolle _Sonderangebote_
– Einschübe sind, auch in größerer Zahl, anders als viele denken, kein Problem, jedenfalls nicht per se, wenn man nur die, leicht machbare, Abwechslung bei der Kennzeichnung der Einschübe wahrt.
+ Einschübe sind (auch in größerer Zahl) — anders als viele denken — kein Problem, jedenfalls nicht per se, wenn man nur die (leicht machbare) Abwechslung bei der Kennzeichnung der Einschübe wahrt.
? Welches Posting würden Sie am ehesten lesen?
a) hör mal zu ich hab dir was zu sagen
b) Hör mal zu, ich hab dir was zu sagen.
c) HÖR MAL ZU!!! ICH HAB DIR WAS ZU SAGEN!!!!
! Vermutlich Variante c): Denn Groß-/Kleinschreibung mit korrekter Zeichensetzung (nicht zu wenig, nicht zu viel) erhält meist mehr Aufmerksamkeit und wird — jedenfalls auf Dauer — ernster genommen.
– Einleitende Wörter haben eine wichtige verschlankende Funktion:
a) [Text]. Deshalb gilt ...
b) [Text]. Dieser hat ...
c) [Text]. Diese Frage von ihr war unklar.
! Aber stets überprüfen, ob der genaue Bezug dieser Wörter für den Leser sofort klar ist:
a) Weshalb gilt ...?
b) Wer hat ...?
c) Welche Frage von wem war unklar?
– Erst holte er den Freund seines Enkels ab, dann rief er seine Mutter an.
? Wessen Mutter rief der Abholende jetzt an?
a) falls seine eigene:
+ Er rief seine Mutter an, nachdem er den Freund seines Enkels abgeholt hatte.
b) falls die des Freundes seines Enkels:
+ Er rief die Mutter seines Enkels an, nachdem er dessen Freund abgeholt hatte.
c) falls die seines Enkels:
+ Erst holte er den Freund seines Enkels ab, dann rief er die Mutter dieses Freundes an.
– Die Situation der Geiseln beunruhigte die Regierung. Sie verurteilte ihre Verschleppung und forderte ihre Freilassung.
+ Die Situation der Geiseln beunruhigte die Regierung; diese verurteilte die Verschleppung der Geiseln und forderte deren Freilassung.
– In deutsch-polnischen Sachverhalten gilt: Nach nationalem Recht ...
– Ebenso: einheimisch, In-/Ausland, in-/ausländisch
! „national“ ist ein sehr relativer Begriff; lieber absolut formulieren:
+ Nach deutschem/polnischem Recht...
+ (oder ggf.:) Sowohl nach deutschem als auch nach polnischem Recht...
– In letzter Zeit ...
– aktuell, gegenwärtig; seit/binnen Kurzem/Langem
– mittlerweile, inzwischen
! Alle o.g. Zeitangaben sind relativ; Sinn hängt vom betrachteten Zeitraum ab: In den letzten 2 Wochen / Monaten / Jahren / Jahrzehnten?
– morgen („Ich rufe Sie morgen um 10:00 Uhr an“)
– ähnlich: in 2 Stunden, übermorgen, nächste Woche (und in Erzählungen gestern, vorgestern)
! Je nachdem, wann die Empfängerin diese Nachricht liest, ist das ursprüngliche „morgen“ bereits „heute“ — so dass Verwirrung und schlimmstenfalls ein (ggf. unerkanntes!) Missverständnis entstehen kann.
! Deshalb lieber zusätzlich
(i) zumindest den konkreten Wochentag
und (ii) evtl. auch gleich noch das Datum mit angeben:
+ ❶ „Ich rufe Sie morgen = Di um 10:00 Uhr an“
+ ❷ „Ich rufe Sie morgen = Di, 13.04. um 10:00 Uhr an“
[grüne Schrift = meine Empfehlungen, s. u.]
! 1. In mehreren Wörtern vs. als ein Wort:
– auf Grund vs. aufgrund
– zu Lasten vs. zulasten
– zu Grunde vs. zugrunde
– so genannt vs. sogenannt vs. sog.
– im Sinne des vs. i. S. d.
! 2. Mit vs. ohne Fugen-s:
– Betriebsstätte vs. Betriebstätte
– Schadensersatz vs. Schadenersatz
! 3. Genitiv mit -es vs. mit -s:
– des Drittstaates vs. des Drittstaats (aber bei einsilbigen Wörtern immer -es: des Balles usw.)
! Ich empfehle zur schnelleren Erfassbarkeit im Zweifel (siehe grüne Wörter):
+ 1. Schreibung in einem einzigen Wort — eher technisch-abstrakt gemeinte Wendungen abkürzen
+ 2. nach Gesetzeswortlaut und/oder Klang
+ 3. nach Geschmack (ich bevorzuge bei mehrsilbigen Wörtern den einfachen s-Genitiv, da schlanker)
Man findet eine Vielzahl von Datums-Schreibweisen: 15. Januar 2019 | 15.1.2019 | 15. Jan. 2019 | 15.01.19 | 15/01/2019 | 15-01-2019 | 15. Jan. ’19 | 15.01.2019
! Ich empfehle folgende Differenzierung:
+ a) Datums-Charakter im Vordergrund:
08.11.1989, 12.09.2001
+ b) Ereignis-Charakter im Vordergrund:
9. November 1989, 11. September 2001
Schon Ueberzeugt? Die Erkenntnis „Richtige Lesbarkeit = Ansprechendere Texte“ Zeitigt Krasse Erfolge! ; - )
© 2013 dr. wolfgang pasternak
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